Monday, April 5, 2010

Geschmacklose Google-Anzeige







Auf shortnews.de konnte am man 5.4.2010 die oben stehende Google-Anzeige im Kontext eines Artikels über Wikileaks-Video aus dem Irak finden. Sehr unglücklich, wenn man sich klarmacht, dass die damals im Irak getöteten Zivilisten und Reuters-Mitarbeiter Frauen und Partner hinterlassen haben dürften.

Saturday, April 3, 2010

Lasst Podolski spielen!

Bundesliga - 29. Spieltag am Osterwochenende

Das Topspiel des heutigen Spieltags lautet FC Schalk.... ähm, nein. Moment. 1. FC Köln - Hertha BSC? Tatsache.
18:30 Uhr, ein Spiel an exponiertem Platze. Alle Augen richten sich auf Müngersdorf.

Da stellt sich natürlich auch hier nun die viel diskutierte Frage: Spielt er oder spielt er nicht? Setzt Soldo wirklich einen fitten Poldi auf die Bank? Rapolder reloaded?

Im Umfeld des FC ist es inzwischen ein offenes Geheimnis, dass Poldi von Teilen der Mannschaft geschnitten oder ignoriert wird. Besonders Novakovic und Maniche sollen sich in diese Richtung hervortun, heißt es. Eitelkeiten, die zugebenermaßen zu diesen schwierigen Charakteren passen würden. Podolski steht rund um die Uhr im Rampenlicht. Andere FC-Spieler rücken in die zweite Reihe.

Heute schreibt BLÖD zu allem Überfluss: "Poldi muss spielen!" Dummerweise haben sie mit ihrer Argumentation nicht ganz Unrecht. Ein Podolski braucht uneingeschränkte Rückendeckung und Vertrauen, um funktionieren zu können. Deswegen ging er von München zurück nach Köln. Doch inzwischen ist es hier alles genauso schlimm. Sobald Podolski nicht spielt, dreht das Team auf und gewinnt Spiele. Zufall? Man möchte es hoffen.

Doch letztlich geht an Podolski kein Weg vorbei. Es war der ambitionierteste Transfer der Vereinsgeschichte. Der Teuerste obendrein. Dieser Spieler soll in den nächsten Jahren das Herz der Mannschaft sein. Wenn andere "Stars" mit diesem Status nicht zurecht kommen, dann müssen sie weg. Es ist ja immerhin nicht so, als habe sich Novakovic diese Saison als sportlich unbedingt unverzichtbar erwiesen. Ach beim lauffaulen Maniche blitzt das Können nur alle paar Wochen mal auf. Packt noch Womé oben drauf, Deckel zu, Schleifchen drum und ab dafür.

Für mich sind Spieler dieser Art ein Garant dafür, dass eben KEINE Mannschaft auf dem Platz steht. Podolski ist Kölner. Er hat einen Sonderstatus, den er sich HIER erarbeitet hat, damals. Wir haben ihn zurückgeholt. Diese Entscheidung war riskant, teuer und wichtig. Jetzt muss man dazu stehen und um ihn herum ein schlagkräftiges Team aufbauen. Leute mit Charakter, keine Diven.

Daher sage auch ich: Poldi muss heute spielen. Am besten mit Freis zusammen im Sturm. Zur Not auch auf links. Egal. Hier geht es um die Entwicklung des Vereins. Und nicht um die Befindlichkeiten von irgendwelchen Trotzköpfen, die morgen vielleicht schon wieder ganz woanders beschäftigt sind.

Wednesday, January 27, 2010

Tosic zum FC? Lieber nicht!

Die Presse kolportiert bereits den Wechsel von Manchester United-Talent Zoran Tosic zum FC. Im Gespräch ist eine Leihe mit anschließender Kaufoption. Eben diese Kaufoption könnte sich als Knackpunkt erweisen. Es ist vorstellbar, dass Manchester eine entsprechend hohe Summe festschreiben lassen will, die der FC nicht zu zahlen bereit wäre. ManU muss sich schließlich für den Fall absichern, dass Tosic beim FC einschlägt und dann im Sommer mit Serbien eine Bomben-WM spielt.

Tosic selbst dürfte wenig Interesse haben, langfristig bei einem mittelmäßigen Bundesligisten zu spielen. Sein Selbstverständnis dürfte durch den ManU-Deal entsprechend geprägt sein. Folgerichtig wird er von einer serbischen Zeitung mit der Aussage zitiert, dass Köln sein Sprungbrett zurück zu ManU sei. Demnach wird wohl auch Tosic selbst von einer Kaufoption für den FC wenig begeistert sein.

Die fehlende Nachhaltigkeit dieses Transfers ist ein Hauptgrund, weswegen der FC von ihm Abstand nehmen sollte. Ein weiterer gewichtiger Grund dürfte die Mannschaftsdynamik und die grundsätzlich defensive Ausrichtung Soldos sein.

Tosic spielt bevorzugt offensiv auf dem Flügel oder auch mal hinter den Spitzen. Wen wird er verdrängen? Vermutlich Fabrice Ehret. Adil Chihi jetzt rauszunehmen, wäre mehr als kontraproduktiv. Chihi hat beim FC einen Fünf-Jahres-Vertrag und schafft gerade den lang ersehnten Sprung. Er könnte den FC langfristig besser machen. Seinen Lauf jetzt zu stoppen, indem man ihm Tosic vor die Nase setzt, der dann in ein paar Monaten wieder weg sein kann, wäre mehr als ungeschickt. Es wäre fahrlässig im Sinne eines nachhaltigen, kontinuierlichen Aufbaus.

Ein Ehret hat sich in Köln Meriten erworben. Er ist absolut loyal und bringt fast immer seine Leistung. Aus sportlichen, aber auch emotionalen Gründen, sähe ich eine Degradierung nur sehr, sehr ungerne.

Fakt ist auch, dass unser Spiel mit Tosic plötzlich viel offensiver ausgerichtet wäre. Dies würde fast zwangsläufig zu Lasten der eingespielten Defensivtaktik gehen. Ist es klug, ohne Vorbereitung mitten in der Saison die taktische Ausrichtung zu ändern? Nova und Poldi stellen sich von selbst auf, wenn sie fit sind. Chihi darf man momentan nicht runternehmen. Einen Tosic natürlich auch nicht, wenn man ihn denn holt. Ergo blieben nur noch 2 Mittelfeldplätze übrig, die sich unsere portugisieschen Diven wohl nicht wegnehmen lassen werden. Bauernopfer: der ebenfalls aufstrebende Pezzoni (von Yalcins Chancen mal ganz zu schweigen).

Kurzum: wir behindern mit einem Tosic-Wechsel unseren eigenen nachhaltigen Aufbau, da ich davon ausgehe, dass Tosic uns im Sommer wieder verlassen wird. Spieler wie Pezzoni und Chihi befinden sich klar auf dem Weg nach oben. Ebenso ein Yalcin, der sich endlich an die erste Mannschaft rangekämpft hat. Mit ihnen halten wir die Klasse, auch ohne Tosic.

Ein Tosic-Wechsel macht nur Sinn, wenn man eine Kaufoption (~ 4-5 Mio) besitzt, der Spieler damit einverstanden ist ODER wenn sich abzeichnen sollte, dass Poldi länger ausfällt. In allen anderen Fällen wird sich der FC mit Tosic einen Bärendienst erweisen.

Saturday, December 26, 2009

Eine Dekade 1. FC Köln - die Nuller Jahre

Höhen und Tiefen zwischen 2000/2001 und 2009/2010.

Die Ära Ewald Lienen (1999-2002)



Noch Ende der 90er Jahre übernimmt Ewald Lienen den am Boden liegenden 1. FC Köln. In der ersten Zweitliga-Saison der Vereinsgeschichte wäre man zuvor unter Bernd Schuster fast in die Drittklassigkeit durchgereicht worden. Schuster musste gehen und mit Lienen kam Bescheidenheit, Kampf und Spielkultur zurück an den Rhein. "Zettel-Ewald", im legendären blauen Hemd, wurde von den Fans vergöttert und führte den FC wieder in die erste Liga.

Im Mai 2000 wurde der Aufstieg mit dem legendären 5:3 Sieg in Hannover besiegelt. Man lag nach 60 Minuten mit 1:3 hinten, doch auf einmal hatten Spieler wie Alex Voigt, Thomas Cichon und Carsten Cullmann, von denen man es nie erwartet hätte, ihr fußballerisches Aha-Erlebnis. Genau diese drei Jecken, die jahrelang den kölschen Fahrstuhl- und Rumpelfußball ("Cichon, der letzte Libero") repräsentierten, drehten an jenem Mai-Abend mit ihren Toren in wenigen Minuten das Spiel und stellten die Weichen auf Aufstieg. Spieler, die sonst nie Tore erzielen, schossen uns zurück ins Oberhaus. Der unwürdige Ausrutscher ins Unterhaus, er war Geschichte.

Die folgende Erstliga-Saison 2000/2001 war wie ein Jungbrunnen. Man spielte tollen Fußball, stand teilweise richtig weit oben in der Tabelle (7. Platz in der Winterpause) und hielt am Ende problemlos die Klasse. Mit Christian Timm hatte man einen der besten deutschen Nachwuchsstürmer in den eigenen Reihen, "[...] der zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise nicht wusste, dass dies bereits der Höhepunkt seiner Karriere war." (Distel). Eine Verletzung am Ende der Saison begrub nämlich alle weiteren Karriere-Hoffnungen. Timm fand später nie wieder zu seiner Kölner Form zurück.

Im Jahr darauf kamen die alten Sorgen wieder. Und wenn man dachte, dass unter Köstner 1998 oder Schuster (ein Jahr später) die Tiefpunkte schon erreicht wurden, so musste man sich eines Besseren belehren lassen. Der FC brach (nicht zum letzten Mal) einen Negativrekord für die Ewigkeit: 1000 Minuten ohne Tor. Ende November 2001 gewann der FC 2:1 in Hamburg beim FC St. Pauli. Danach folgten zehn Bundesligaspiele in Folge, in denen man torlos blieb. Im elften Spiel gegen Hertha BSC beendete (ausgerechnet) Thomas Cichon den Torfluch. Der Cichon, der sonst alle Bälle instinktiv auf die Tribünen von Müngersdorf drosch. Nach dem Treffer setzte er zu einer nicht enden wollenden Jubelrunde durchs Stadion an. Ein wenig übertrieben, wenn man bedenkt, dass der FC zu diesem Zeitpunkt (25. Spieltag) mit 16 Punkten abgeschlagen auf Rang 18 lag.

Sinnbild dieser total verkorksten Saison war der 6 Millionen DM Transfer von Marco Reich, der bis dato teuerste Transfer der Vereinsgeschichte und gleichzeitig einer der größten Reinfälle. Reich soll später mit den Worten zitiert worden sein: "Ich war der Einzige, der sich über die Euro-Umstellung gefreut hat, denn seit dem war ich nur noch der 3 Mio-Flop".

Ewald Lienen wurde zu Beginn der Rückrunde nach einem 0:3 bei den Münchener Löwen entlassen. Friedhelm Funkel ("ein Trainer, den keiner wollte" (Distel)) hatte ihn ersetzt.

Die Ära Funkel (2002-2004)



Der Fußball unter Funkel war so dröge, wie der Trainer selbst. Funkel konnte den Abstieg 2002, trotz des Winter-Transfers von Rigobert Song (der nur 16 Spiele für den FC bestritten hat und dennoch bis heute bei vielen Fans vergöttert wird), nicht mehr verhindern. Man ging mit Funkel in die zweite Liga und spielte eine souveräne, aber glanzlose Saison 2002/2003 in der Baustelle Müngersdorf. Das Stadion wurde in dieser Zeit umgebaut. Die Tore schossen in dieser 2. Liga- Saison vor allem Dirk Lottner und Matthias Scherz. Das Tor hielt der vermeintliche Ersatz Alex Bade sauber. In der Retrospektive muss der souveräne Aufstieg mit diesem Kader fast ein Wunder genannt werden. Am 30. Spieltag stand er bereits fest, mit 12 Punkten Vorsprung auf Platz 4. Doch dann folgten bis Saisonende noch vier peinliche und unnötige Niederlagen. Viele sagen, dass damit bereits der erneute Abstieg ein Jahr später eingeleitet wurde.

Die Erstliga-Saison 2003/2004 begann man mit zwei vermeintlich tollen Transfers. Champions-League Sieger Jörg Heinrich kam vom BVB, Sturmjuwel Andrej Voronin von Mainz 05. Beide sollten sich als schwere Enttäuschungen entpuppen. Voronin stellte in der zweiten Saisonhälfte gar die Arbeit ein und erklärte, er habe keine Lust mehr auf Köln. Fortan wurde er von den Fans leidenschaftlich gehasst. Ein Umstand, der sich durch den angekündigten Wechsel zu Leverkusen keineswegs verbesserte.

Funkel hatte eine Gnadenfrist bis zum 10. Spieltag. Man lag mit 7 Punkten auf Rang 16 und nach einer Niederlage bei Frankfurt musste der nie geliebte Friedhelm gehen. Co-Trainer Jos Luhukay übernahm zunächst.

Die Episode Koller (2003-2004)



Bereits wenige Tage später wurde der Schweizer Marcel Koller vorgestellt, der versuchen sollte, den Klassenerhalt mit dem FC noch zu schaffen. Doch bereits sein Einstand (0:4 beim VfL Bochum) deutete an: diese Beziehung sollte nicht dauerhaft sein. Sechs Niederlagen am Stück im Frühjahr 2004 brachen dem FC in dieser Saison endgültig das Genick.

Auch der neue Stürmer, den Koller im Dezember aus der eigenen U-19 hochzog, konnte daran nichts ändern. Er hieß Lukas Podolski und schoss am 16. Spieltag in Rostock sein allererstes Bundesliga-Tor. Danach gab er sein allererstes TV-Interview, bei dem sich nicht mal der Reporter ein Grinsen verkneifen konnte. Podolski war der einzige Lichtblick in dieser schlimmen Rückrunde. Er stieg durch seine natürliche Art und spektakuläre, unbekümmerte Spielweise schnell zum absoluten Publikumsliebling auf. Der 18jährige spielte in der Saison noch 19 Spiele und schoss 10 Tore (intern folgten Lottner und Voronin mit je 4 Treffern).

Der FC stieg in der Saison mit sagenhaft schlechten 23 Punkten aus der ersten Liga ab. Dennoch formte sich am Ende der Saison eine Faninitiative, die den Verbleib Kollers in Köln und mehr Kontinuität einforderte. Mit dem Konzept, auf junge, deutsche Spieler aus den eigenen Reihen zu setzen (auch der zweite Lukas wurde unter Koller entdeckt: Lukas Sinkiewicz), hatte Koller doch einige Freunde in Köln gefunden. Der (nach langem Bitten und Betteln) frisch gekürte neue Präsident, Wolfgang Overath, hatte allerdings andere Pläne. Er entließ Koller nach der Saison und präsentierte (damals sensationell) Huub Stevens als neuen Zweitligatrainer. Unter dem Idol Overath sollte jetzt endlich alles besser werden. Es wurde von 5-Jahres-Plänen geredet, von Sponsoren und und und...

Die Ära Stevens (2004-2005)



Der Start ging erstmal in die Hose. Man verlor in Burghausen mit 2:4. Doch dann kam der FC in Fahrt und spielte phasenweise tollen Fußball. Das neue Traumpaar Scherz (11 Tore) und Poldi (24 Tore) dominierte die Liga nach Belieben. Im Rückspiel gegen Burghausen revanchierte man sich für den vermiesten Saisonstart mit einem 8:1 Kantersieg. Der Aufstieg in die erste Liga geriet trotz einiger kleiner Krisen nie wirklich in Gefahr, und das obwohl der Kader grandios schlecht besetzt war. Man liest Namen, die einem als FC-Fan das Blut in den Adern gefrieren lassen: Guie-Mien, Konstantinidis, Lell, Tsiartas, Ebbers, Tököli, Benschneider... ein Kabinett des Schreckens. Tsiartas, der griechische Europameister, wurde mit dem Hinweis geholt, gerade die Freistoß-WM gewonnen zu haben. In seiner kurzen Zeit in Köln hat er freilich nie einen Freistoß verwandelt.

Unter Stevens schien aber dennoch alles besser zu werden. Bis, ja bis er ankündigte nach dem Aufstieg gehen zu wollen. Er begründete diesen Schritt damals mit seiner kranken Ehefrau in Holland und wechselte deswegen zu Roda Kerkrade. Der FC stand mal wieder im Regen und Overath beging seinen ersten schweren Fehler.

Das Missverständnis Rapolder (2005)



Heute sagt man, dass Rapolder vor allem an Podolski gescheitert ist. Das Verhältnis der beiden war immer zerrüttet. Trotz eines tollen Saisonstarts (3:2 in Stuttgart, Derbysieg gegen Gladbach) geriet man schnell in einen Krisenstrudel. Dazu trug sicher auch die völlig verfehlte Einkaufspolitik des "Sparfuchses" Andreas Rettig bei: Grammozis, Alpay, Schlicke, Zivkovic, Mokhtari, Madsen, Szabics... sie alle sind am und beim FC vollständig gescheitert und auch danach nie wieder hochgekommen.

Unter Rapolder brach man einen neuen Negativrekord in der Liga: 17 Spiele am Stück ohne Sieg. Das ist eine komplette Halbserie. Im Dezember, nach einem 2:3 bei Bielefeld (an Rapolders alter Wirkungsstätte), wurde das Missverständnis nach nur 17 Spieltagen beendet. Rapolder flog und Rettig trat noch auf der Tribüne in Bielefeld von seinem Managerposten zurück.

Sein Nachfolger wurde damals recht überraschend Michael Meier. Unter Meier sollte sich der FC extrem verändern. Seine erste Amtshandlung war es jedoch zunächst, in der Winterpause einen Schweizer zu holen.

Der nette Bergdoktor Latour (2006)


Selten hatte der FC einen sympathischeren Trainer. Selten einen erfolgloseren. Der gute Hanspeter ist in Deutschland nie richtig angekommen. Doch im Gegensatz zu "Wacholder", der in Köln bis heute gehasst und verachtet wird, spricht man von Latour nur in respektvollem Ton. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Vielleicht wirklich an seiner sympathischen, optmistischen und teilweise kindlich-naiven Ausstrahlung.

Latour holte in der Winterpause seine Landsleute Cabanas und Streller an den Rhein. Doch auch sie konnten nichts mehr bewirken. Die beispiellose Sieglos-Serie ging unter dem Bergdoktor erstmal ungehindert weiter. Der dauerbesoffene kölsche Mob zog der Mannschaft fröhlich durch Deutschland hinterher und störte sich an den Niederlagen kaum noch. Umso frenetischer feierte man das völlig unerwartete 4:2 in Berlin im März 2006. Es war wie eine Befreiung, wie etwas nicht für möglich gehaltenes. Leider wurde damit auch wieder Hoffnung geschöpft, sodass die Stimmung um den FC wieder angespannter wurde.

Im vielleicht entscheidenden Spiel verlor der FC bei Schneetreiben (nach tollem Kampf und zumindest fragwürdiger Schirileistung) mit 3:4 zu Hause gegen Nürnberg. Trotz quasi besiegeltem Abstieg waren die Leute zufrieden. Man hatte alles versucht. Es ging nicht mehr.

Wieder mal Liga 2. Der Fahrstuhl war ja ohnehin schon gut geölt. Man kannte sich in den Zweitligastadien bereits aus. Es war ein wenig wie "nach Hause kommen".

Wehmut verursachte der nicht vermeidbare Wechsel Podolskis zum FC Bayern. Ein schwerer Schlag für die kölsche Seele am Rhein.

Latour durfte derweil weiterwerkeln. Er kaufte zur Saison 2006/2007 nochmal ordentlich ein. Unbekannte Spieler aus der Schweiz und Frankreich wurden geholt, darunter auch Fabrice Ehret. Außerdem ein slowenischer Stürmer aus der bulgarischen Liga, von dem niemand je gehört hatte: Novakovic. Na denn...

Die Zweitliga-Saison begann ordentlich. Doch nach gutem Start folgte der Einbruch, zeitgleich mit der Verletzung der neuen kölschen Sturmhoffnung: Patrick Helmes. Noch mit gebrochenem Mittelfuß schoss er den 1:0 Siegtreffer gegen Essen am 5. Spieltag und fiel dann lange aus. Danach folgten sieben sieglose Spiele und schließlich die Entlassung Latours noch in der Hinrunde.

Zuvor wurde jedoch die kölsche Seele im DFB-Pokal gestreichelt. In der zweiten Runde traf man daheim vor ausverkauftem Haus auf den Erstligist Schalke 04. Die in der Liga gebeutelten Kölner (ich durfte wenige Tage zuvor ein trostloses 0:0 in Unterhaching miterleben) machten das Spiel ihres Lebens. Gambino, Broich, Novakovic und Chihi schossen das 4:2 nach Verlängerung in einem absolut denkwürdigen Spiel heraus. Viele FC-Fans nennen dieses Spiel, wenn sie nach dem besten FC-Spiel dieser Dekade gefragt werden. Die Stimmung war gigantisch. Das Ergebnis ein Wahnsinn! Broich machte sein bestes Spiel im FC-Dress.

In der Liga lief es leider weitaus schlechter. Latour wurde entlassen und Holger Gehrke übernahm interimsmäßig. Doch hinter den Kulissen des FC (und eines Krankenhauses) bahnte sich eine Sensation an...

Die Ära Daum (2006-2009)




Nie wurde ein Trainer in Köln mehr herbeigesehnt. Nie wurde ein Trainer mehr gefeiert. Nie mehr geliebt! Habemus Daum! Das FC-Forum brach zusammen, die Euphorie war unbeschreiblich. Kleine Kinder wurden ihm beim ersten Training entgegen gehalten.

Der Messias Daum war endlich wieder in Köln!

Doch Daum musste schnell einsehen, dass er sich verschätzt hatte. Er kannte die zweite Liga nicht. Seine Wintertransfers waren allesamt Flops (Luciano, Andre, Johnson, Tiago, Serhat Akin). Den Aufstieg konnte er nicht mehr erreichen. Die Saison 2006/2007 blieb ein verlorenes Jahr. Tiefpunkt war das 0:5 bei RW Essen am Karnevalssonntag. Jeder andere Trainer hätte zur Disposition gestanden. Nicht so Daum. Im Gegenteil: man musste hoffen und bangen, dass er von seinem halbjährlichen Ausstiegsrecht nicht Gebrauch machen würde.

In der neuen Saison 2007/2008 war die Marschroute klar: entweder Aufstieg oder Daum geht. Der Nichtaufstieg hätte den FC wohl auf Dauer in die zweite Liga verbannt. Man bewegte sich finanziell am Rande es Machbaren.

Mit McKenna und Mohamad holte man großartige Verteidiger an den Rhein. Mit Mondragon und Ümit Özat sogar echte Stars, die ohne den Namen Daum niemals zum Zweitligisten Köln gewechselt wären. Der wechselwillige Helmes, den viele Fans am liebsten in die Wüste geschickt hätten, wurde von Daum zum Bleiben gezwungen. Der disziplinlose Novakovic (Suff am Steuer nach Weihnachtsmarktbesuch) wurde unter Daum zum absoluten Goalgetter. Helmes und Nova ballerten den FC mit zusammen 37 Toren in die erste Liga. Dennoch blieb es ein mühsamer Aufstieg. Der vielleicht schwerste und zugleich wichtigste aller bisherigen Aufstiege.

Immer wieder kriselte es. Der FC tat sich schwer, spielte oft schlecht. Erst am 25. Spieltag wurde mit einem wichtigen Sieg gegen Wehen, bei dem Mondy einen Elfer hielt und Antar ein Jahrhunderttor erzielte, die Weiche auf Aufstieg gestellt. Mit dem Sieg kletterte der FC auf den 4. Platz. Ein Herzschlagfinale am Saisonende gegen die Mitkonkurrenten Hoffenheim und Mainz bahnte sich an. Und als es drauf ankam, war der FC da! In wirklich absolut geilen Spielen wurden Hoffenheim, Augsburg und Mainz niedergefightet (3:1, 3:1 und 2:0). Symbol dieses Kampfes war der Kölner Suazo, der dem verhassten Eduardo mit einem illegalen, aber nicht geahndeten Kopfstoß sogar einen Zahn rausschlug. Das wollten die FC Fans sehen: absoluten Einsatz, egal wie!

Die Aufstiegsparty war berauschend und größer als Wolfsburgs Meisterfeier ein Jahr später. Daum handelte sich beim FC neue Konditionen heraus. Und wie Genscher damals in Prag, trat Daum gegen Mitternacht vors Geißbockheim und verkündete: Ich bleibe! Der Express-Ticker zu diesem Event ist legendär!

Mit Daum in die erste Liga! 2008/2009.

Klangvolle Namen wie Petit und Womé wurden geholt. Dazu ein echter Transferknaller: Pedro Geromel. Doch der Kollaps von Ümit Özat am dritten Spieltag brachte den FC zunächst aus dem Konzept. Erst das Hammerspiel gegen Schalke und der darauffolgende Derbysieg in Gladbach brachten den FC zurück in die Spur. Die Klasse wurde letztlich souverän, aber auch unspektakulär gehalten. Es offenbarte sich spielerische Armut, die aber von einer guten Defensive und einem überragenden Nova kompensiert wurde.

Im Verein zeichnete sich ein steter Weg nach oben ab. Die Strukturen wurden sichtlich verbessert. Und: Lukas Podolski konnte nach zähem, monatelangem Ringen mit den Bayern an den Rhein zurückgelotst werden. Nichts hatte die Fans in dieser Zeit mehr beschäftigt als dieser Traum, der schließlich Wirklichkeit wurde.

Doch es gab ein jähes Erwachen: Daum verabschiedet sich in einer Nacht- und Nebelaktion völlig überraschend in die Türkei und wird von jetzt auf gleich zur Persona non grata in Köln. Ein emotionaler Rückschlag, an dem Verein und Fans noch bis heute kranken und leiden, auch wenn es viele nicht wahrhaben wollen.

Die Ära Soldo (2009 - ?)




Der große Schweiger übernahm den FC. Unerfahren, aber mit viel Vorschusslorbeeren von ehemaligen Weggefährten. Der Anti-Daum. Soldo musste einen im wesentlichen von Meier falsch zusammengestellten Kader übernehmen. Sein Einfluss in den Chefetagen des Vereins ist im Vergleich zu Daum wohl eher gering. Viele fürchten, dass die von Daum (und gegen den Klüngel) geschaffenen Strukturen langsam wieder zurückgefahren werden. Die Leckerjacken-Fraktion um Glowaczs und Engels könnte wieder mehr Einfluss gewinnen. Jene Leute, die den Niedergang des FC in den Nuller-Jahren mitbegründet haben. Eine Re-Klüngelisierung wäre wohl das Todesurteil für den FC. Alles deutet derzeit daraufhin: Overath wurde mit 90% im Amt bestätigt, Kritik wurde kaum laut.

Man konnte Daum viel vorwerfen, aber nicht, dass er nicht den unbedingten Siegeswillen gehabt hatte. Er wollte den Verein nach oben bringen. Viele sagen, er sei auch deswegen gegangen, weil er seine Visionen beim FC nicht umsetzen konnte. Ich prophezeihe mal, dass sich diese Sichtweise in der Zukunft durchsetzen wird. Insbesondere dann, wenn der FC jetzt wieder in den Fahrstuhl geraten sollte. Ein Szenario, das nach der dürftigen Hinrunde in keinem Fall ausgeschlossen werden kann.

Hoffnung gibt mir, dass man Soldo nicht angetastet hat, als es zuletzt mehr als schlecht lief. Die gute Defensive kann erneut dafür sorgen, dass man die Klasse hält. Doch was dann? Wo sind die Visionen, die einen Daum auszeichneten. Soldo redet selten. Und wenn er Visionen hat, dann weiß man nicht, ob er das Standing und die Mittel haben wird, sie beim FC umzusetzen.

Wenn man ehrlich ist, dann spricht nicht allzu viel dafür, dass die kommende Dekade deutlich besser wird als die Letzte. Der FC hat den Anschluss verpasst. In den Boomjahren, als die TV-Gelder explodierten, war der FC nicht dabei. Diesen Rückstand wird man nicht so schnell aufholen. Vielleicht hat Daum diesen Umstand auch unterschätzt und war ZU ehrgeizig. Man weiß es nicht.

Einen Plan für die Zukunft sehe ich derzeit nicht. Nur Podolski und Geromel sind kleine Versprechen auf eine gesicherte Zukunft. Transfers wie Maniche helfen in dieser Hinsicht aber nicht weiter. Sie schaden vielleicht sogar eher. Eine junge, homogene Mannschaft um Poldi und Geromel, mit dem Trainer Soldo... das wäre schon mal ein erster Schritt. Man darf gespannt sein.

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Der FC-Kader des Jahrzehnts:
In Klammern die Anzahl der Spiele/Tore für den FC in diesem Zeitraum.

Tor:
Faryd Mondragon (78/0)
Alex Bade (90/0)
Markus Pröll (55/0)

Abwehr:
Alex Voigt (137/10)
Thomas Cichon (103/3)
Carsten Cullmann (147/7)
Lukas Sinkiewicz (76/1)
Ümit Özat (35/0)
Youssef Mohamad (78/6)
Pedro Geromel (47/2)

Mittelfeld:
Dirk Lottner (115/37)
Christian Springer (152/20)
Albert Streit (78/8)
Thomas Broich (69/4)
Fabrice Ehret (96/4)
Petit (47/3)

Angriff:
Christian Timm (42/8)
Matthias Scherz (240/59)
Lukas Podolski (96/47)
Patrick Helmes (65/35)
Milivoje Novakovic (102/50)

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Daraus ergibt sich in meinen Augen folgende FC-Elf des Jahrzehnts:

------------------------Mondragon---------------------

---Cullmann---Geromel----Mohamad------Voigt---

---------------------------Petit-------------------------

---Springer-------------Lottner-------------Podolski--

-----------Scherz/Helmes--------Novakovic----------


Trainerteam:

Christoph Daum
Ewald Lienen (1. Co)
Huub Stevens (2. Co)

Tuesday, December 1, 2009

Berge verengen den (geistigen) Horizont

Ein Kommentar zum Schweizer Volksentscheid und zur direkten Demokratie

Wenn man sich an die Fakten hält, muss man sich wundern. Es stehen in der Schweiz bisher vier Minarette. Zwei weitere sind in Planung. So liest man es in den Medien. Die eidgenössischen Muslime stammen größtenteils aus dem ehemaligen Jugoslawien und sollen vergleichsweise moderat und gut integriert sein. Es sind insgesamt 400.000, bei einer Gesamtbevölkerung von 7,5 Millionen.Von nennenswerten Problemen wird nicht berichtet.

Die SVP hat mit ihrer populistischen Plakatkampagne erfolgreich irrationale Ängste und Hass geschürt. Das Minarett diente dabei nur als Vorwand und Anlass. Die Rechtspopulisten bezeichnen es als "politisches Symbol" einer vermeintlichen Islamisierung. Es ist jedoch vielmehr so, dass die Kampagne das Minarett zu einem politischen Symbol gemacht hat. Zu einem Symbol, an dem sich Volkes Wut auf den Islam in schäbiger Art und Weise abreagieren konnte.

Wie kann ein religiöses Symbol plötzlich zu einem politischen Symbol werden? Wieso sind im Umkehrschluss Kirchtürme kein politisches Symbol einer christlich geprägten Elite, die das Land regiert? In der Schweiz gibt es keine Terrorzellen und keine fundamentalistischen Hassprediger. Wie kann ein Minarett also ein politisches Symbol sein? Und für was konkret? Wieso werden vier Minarette als Zeichen der Bedrohung empfunden, tausende von Hass schürenden Plakaten im ganzen Land jedoch nicht?

Die Rechtspopulisten argumentieren in ihrer geistigen Armut damit, dass Christen in den muslimischen Ländern keinerlei Freiheiten betreffend ihrer Religion genießen. Das ist richtig. Und schlimm. Und ich würde in einem solch autoritär-repressiven Land nicht leben wollen. 57% der Schweizer orientieren sich jedoch nun am Beispiel dieser Länder.

Besteht denn unser Stolz nicht zurecht in der Aufklärung und der Einführung von unverhandelbaren Grundrechten für alle Menschen? Haben wir im Westen nicht den Anspruch, uns an einem höheren Standard messen zu lassen? In Europa leben wir in einer der derzeit freiesten Gesellschaften der Erde. Wie können Menschen jetzt auf die Idee kommen, diese Freiheit zu beschränken? Wieso orientiert man sich an Gesellschaften, deren Freiheitsbegriff aus dem Mittelalter zu stammen scheint?

Die direkte Demokratie ist vielen Gefahren ausgesetzt, wenn sie missbraucht wird. Sie ist nicht wehrhaft genug, wenn Hassprediger wie Blocher (in der Schweiz) oder Strache (in Österreich) in der Bevölkerung Angst und Hass säen. In Österreich sind Volksentscheide, wie sie in der Schweiz durchgeführt werden, nicht möglich. Hannes Swoboda (österreichischer Europaparlamentarier) twittert nach der Schweizer Abstimmung: "bin betroffen über das Votum der SchweizerInnen gegen die Minarette. Wie würde ein solches Votum erst in Österreich ausgehen?". Bezeichnend.

In Irland wurde vor einem Jahr der Lissabon Vertrag in einem Referendum abglehnt. Die Nein-Kampagne bediente sich dabei dreister Lügen und entfachte Ängste in der Bevölkerung (auch Dank einer schwachen Ja-Kampagne). Volksentscheide zu konkreten Fragen werden häufig für tieferliegende Agenden missbraucht und durch Populismus beeinflusst. Das Volk mag der Souverän sein. Aber auch ein Souverän weiß nicht immer, wovon er redet. Und auch ein Souverän hat oftmals schlechte Ratgeber. Auch deswegen ist es besser, Volksentscheide auf regionale Belange zu beschränken.

Friday, November 27, 2009

Minister wechsel dich!

Was qualifiziert einen Minister eigentlich zum Minister? Was muss man als Minister können? Muss man delegieren können? Muss man managen können? Muss man sich öffentlich gut verkaufen können?

Von allem sicherlich ein bißchen. Was jedoch scheinbar keine Rolle bei der Besetzung eines Ministerpostens spielt, ist Fachwissen oder Expertise. Wie sonst ist es zu erklären, dass Minister ihr Ressort wechseln, wie andere Leute ihre Unterwäsche? Heute Familienministerin, morgen Arbeitsministerin, wie im Fall Ursula von der Leyen. Oder Schäuble: gestern noch Innenminister, heute schon Finanzen. Auch der inzwischen zurückgetretene Jung hat einen spektakulären Wechsel hinter sich: von der Verteidigungs- and die Arbeitslosenfront.

Wer erstmal das Ministerlevel erklommen hat, ist offenbar vielseitig einsetzbar. Dass Frau von der Leyen, die eigentlich Ärztin ist, nie das von ihr gewünschte Gesundheitsressort erhalten hat, ist wahrscheinlich Pech. Aber die Karriere ist ja noch lang. Von der Leyen ist vergleichsweise jung und ein politischer Wechsel im Lande nicht in Sicht. Vielleicht hat sie bei der nächsten Entlassungs- und Besetzungsrunde mehr Glück.

Die Medien haben zu diesem lustigen Wechsel-dich Spielchen übrigens nichts zu sagen. Die fachliche Qualifikation eines Ministers wird so gut wie nie hinterfragt. Man nimmt diese Kabinettsrochaden einfach hin. Ein Westerwelle hat mit Außenpolitik nie etwas am Hut gehabt. Dirk Niebel wusste bis neulich nicht mal, wie man Entwicklung überhaupt buchstabiert. All das wird in der Presse maximal am Rande erwähnt. Echte Kritik oder Protest liest man selten.

Natürlich arbeiten auf Referats- und Beamtenebene absolute Vollprofis in den Ministerien, und manch einer mag der Ansicht sein, dass das ausreichend ist. Aber ist ein Minister denn nur ein PR-Männchen, das den innerministerialen Entscheidungsprozess der Presse und dem Parlament verkaufen muss? Wohl kaum. Und wenn es so wäre, muss man wohl sagen: auch dafür gäbe es geeignetere Kandidaten.

Übrigens: in Brüssel stehen die Dinge nicht besser. Die neue EU-Kommission, deren Zusammensetzung heute bekannt gegeben wurde, ist das beste Beispiel. Während einem die Logik diktiert, dass zunächst die Kommissions-Ressorts an die Mitgliedsstaaten verteilt werden, damit jene dann ihren fähigsten Mann (oder Frau) auswählen können, ist es in der Realität leider genau anders herum. Die Staaten wählen aus, wen sie nach Brüssel schicken, um anschließend davon überrascht zu werden, welches Ressort derjenige kommt.

Das ist (und man muss es so hart sagen) armselig!

Ergänzung
: heute ist auf tagesschau.de Folgendes zu lesen: "Erst 32 Jahre alt und wenig bekannt: Kristina Köhler wird Familienministerin. Als Soziologin bringe sie die Qualifikation dafür mit, sagt die Kanzlerin."

Bologna - nur die halbe Miete?

Mit dem Bologna-Prozess und der Einführung des Bachelor- und Mastersystems forciert die EU europaweit vergleichbare Hochschulabschlüsse. Dies ist angesichts des Integrationsprozesses der EU und eines wachsenden Binnenarbeitsmarktes sinnvoll.

Doch wo bleiben die Anstrengungen für einen europaweit einheitlichen Hochschulzugang? Studenten in allen europäischen Ländern quälen sich inzwischen im Bachelor-Studiengang mit vollen Stundenplänen herum. Anstrengungen, den Zugang zu diesen Studiengängen vergleichbar zu machen, sind jedoch nirgendwo in Sicht.

Dies führt angesichts europäischer Freizügigkeit zu starken Verzerrungen und Belastungen einzelner Länder. Am deutlichsten wird das Problem, wenn man nach Österreich schaut. Die dortigen Unis haben keine generellen Zulassungsbeschränkungen. Deutsche Studenten, die in ihrer Heimat am Numerus Clausus scheitern, weichen deswegen gerne in das südliche Nachbarland aus. Dies führt zu chaotischen Verhältnissen und völlig überfüllten Studiengängen. In Salzburg schreiben sich mittlerweile an einigen Fakultäten mehr deutsche als österreichische Studenten ein. In Belgien gibt es ähnliche Probleme mit Studenten aus Frankreich.

Diese Beobachtungen deuten auf eine offene Baustelle hin: während der "Output" (d.h. die Abschlüsse) der europäischen Hochschulen vereinheitlicht wird, gestaltet sich der "Input" (der Zugang) wie ein Flickenteppich. Die Zugangsvoraussetzungen unterscheiden sich von Staat zu Staat, ebenso die Studiengebühren. Dies führt zu Ungleichheit und Ungerechtigkeit.

Bestrebungen den Hochschulzugang europaweit anzugleichen, bedürften einer enormen politischen Anstrengung, zu der sich anscheinend niemand berufen fühlt. Angesichts wachsender Integration und Belastungen für einzelne europäische Länder wird sich diese Frage aber nicht mehr auf die lange Bank schieben lassen.